Alexithymie - Gefühlsblindheit

Alexithymie beschreibt die Schwierigkeit einer Person ihre eigenen Emotionen zu erkennen, zu verstehen und auszudrücken. Der Begriff wurde ursprünglich von den Forschern Peter Sifneos und John Nemiah im Jahr 1972 geprägt und hat seitdem in der Psychologie und Psychiatrie erhebliche Aufmerksamkeit erlangt.

Menschen mit Alexithymie haben Schwierigkeiten, ihre eigenen Gefühle zu identifizieren und zu beschreiben. Sie können Schwierigkeiten haben, zwischen verschiedenen Emotionen zu unterscheiden oder Emotionen von körperlichen Empfindungen zu trennen. Eine Person mit Alexithymie kann beispielsweise körperliche Symptome wie Herzklopfen oder Magenverstimmung spüren, ist sich jedoch nicht bewusst, dass diese Symptome auf Angst oder Aufregung zurückzuführen sind. Darüber hinaus können sie auch Probleme haben, ihre Gefühle anderen gegenüber angemessen auszudrücken.

Die Forschung zu Alexithymie hat sich darauf konzentriert, das Phänomen zu verstehen und seine Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden und die sozialen Beziehungen zu untersuchen. Eine wichtige Studie wurde von Taylor und Kollegen (1990) durchgeführt. In dieser Studie wurde ein Zusammenhang zwischen Alexithymie und psychosomatischen Störungen, insbesondere bei Patienten mit somatoformen Störungen, festgestellt. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass Menschen mit Alexithymie eher dazu neigen, körperliche Symptome zu erleben, ohne die zugrunde liegenden emotionalen Ursachen zu erkennen oder auszudrücken.

Weitere Forschung hat gezeigt, dass Alexithymie auch mit anderen psychischen Störungen wie Depressionen, Angststörungen und Essstörungen in Verbindung stehen kann. Eine Studie von Honkalampi und Kollegen (2000) ergab beispielsweise, dass Menschen mit Depressionen höhere Werte von Alexithymie aufweisen als Personen ohne Depressionen. Dies legt nahe, dass die Schwierigkeit, Emotionen zu erkennen und auszudrücken, ein wichtiger Faktor bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Depressionen sein kann.

Eine weitere Studie von Luminet und Kollegen (2006) untersuchte den Zusammenhang zwischen Alexithymie und sozialer Kompetenz. Die Ergebnisse zeigten, dass Menschen mit höheren Werten von Alexithymie Schwierigkeiten hatten, ihre eigenen Emotionen zu erkennen und auszudrücken, was zu Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion und Kommunikation führte. Dies legt nahe, dass Alexithymie ein Hindernis für das Verständnis und die Aufrechterhaltung gesunder sozialer Beziehungen sein kann.

Darüber hinaus wurde auch die neurobiologische Grundlage von Alexithymie untersucht. Eine Studie von Berthoz und Kollegen (2002) ergab beispielsweise, dass Menschen mit Alexithymie eine reduzierte Aktivität in den Gehirnregionen aufweisen, die mit der Verarbeitung und Regulation von Emotionen in Zusammenhang stehen, wie zum Beispiel dem präfrontalen Kortex und dem limbischen System. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei Menschen mit Alexithymie eine dysfunktionale emotionale Verarbeitung auf neurobiologischer Ebene vorliegen könnte.

Es ist wichtig anzumerken, dass Alexithymie als ein Kontinuum betrachtet wird, auf dem Menschen unterschiedliche Ausprägungen haben können. Es gibt verschiedene Messinstrumente, um Alexithymie zu erfassen, wie zum Beispiel den Toronto Alexithymia Scale (TAS-20). Dieser Fragebogen besteht aus verschiedenen Items, die die Fähigkeit einer Person zur Identifizierung und Beschreibung von Emotionen bewerten.

Die Auswirkungen von Alexithymie können weitreichend sein. Menschen mit Alexithymie können Schwierigkeiten haben, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu erkennen und auszudrücken. Sie können auch Schwierigkeiten haben, zwischen verschiedenen Emotionen zu unterscheiden, was zu einer eingeschränkten emotionalen Introspektion führen kann. Dadurch können sie Schwierigkeiten haben, angemessen mit Stress umzugehen und ihre Emotionen auf gesunde Weise zu regulieren.

In Bezug auf die Behandlung von Alexithymie gibt es verschiedene therapeutische Ansätze. Ein häufig verwendetes Verfahren ist die psychodynamische Therapie, die darauf abzielt, das Bewusstsein für die eigenen Emotionen zu fördern und die Fähigkeit zu verbessern, diese zu erkennen und auszudrücken. Auch emotionale Bildung und Schulungen zur Emotionsregulation können hilfreich sein, um die emotionalen Fähigkeiten zu stärken.

Insgesamt ist Alexithymie ein komplexes Phänomen, das eine beeinträchtigte Fähigkeit zur Erkennung und Ausdruck von Emotionen beschreibt. Die Forschung zu Alexithymie hat gezeigt, dass sie mit verschiedenen psychischen Störungen und sozialen Beeinträchtigungen in Verbindung stehen kann. Ein besseres Verständnis von Alexithymie kann dazu beitragen, geeignete Interventionen zu entwickeln, um Menschen mit dieser Schwierigkeit zu unterstützen und ihre Lebensqualität zu verbessern.

 

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